Disappearing Housewives (PDF)

Einweihungsrede anlässlich der Einzelausstellung in der Galerie im Unterhammer, 12.7.2017


Sehr geehrte Damen und Herren,

von heute an und bis in den September hinein geben sich die

“Disappearing Housewives” in der Galerie am Unterhammer die Ehre. Um uns herum wird gewaschen, gekehrt, Geschirr abgetrocknet, beziehungsweise staubgesaugt. Auf hochhackigen Pumps wird gewienert und gefegt – das bisschen Haushalt eben... Wir alle erinnern uns an Johanna von Koczians Mann, der nicht begreifen konnte, wie sich irgendeine Frau über ihre täglichen, ach so leichten Pflichten beklagen konnte. Und so lächeln sie alle hingebungsvoll, Kristina Kanders' Hausfrauen, während sie mit den Vintage-Tapeten wenigstens zum Teil verschmelzen, sich auflösen, und so etwas wie unsichtbar werden.


Angefangen hat alles 2014, als Kristina Kanders eine Tapete findet, die es ihr mit den eigenen Worten „angetan hat“. Das Design erinnert sie an eine Bluse der Mutter. Tatsächlich entfällt das Malen jeglicher Kleidung für Kristina Kanders, die Idee hinter den Hausfrauen ist, dass das Hintergrundmuster auch für Kleider, Hemden und Röcke steht. Es ist frappierend wie sich die Musterung des Hintergrundes den plastisch dargestellten Körperteilen der Frauen unterordnet. Das Auge vollendet

das Bild, wir sehen Form und Faltenwurf des Rockes vor einer aus dem scheinbar gleichen Design bestehenden Wand.

Die Arme, Hände und Gesichtspartien der dargestellten Frauen erscheinen fast ausschließlich schwarzweiß, selbst bei Motiven, die im Original farbig waren.


Die alten Tapeten findet die Künstlerin in einem Spezialladen in Köln, die Anregungen für die „Disappearing Housewives“ stammen aus alten Kochbüchern und der Werbung der 50er- und 60er Jahre. Mit schwungvoller Bewegung holt Housewife Nr.12 etwa mit einem Teppichklopfer aus, während Nr. 23 den Kaffee aufbrüht, Nr. 18 eine Lunchbox packt und Nr. 21 die Wäsche macht.


Die Frauen auf den Bildern sind für ihre haushaltlichen

Pflichtentipptopp frisiert, tragen schicke, für Hausarbeit auch denkbar unpassende Kleider mit Rüschen und Schleifchen – zwar pret-a-porter aber dennoch wie maßgeschneidert, dem Zweck also völlig unangepasst. In der Realität der 50er Jahre schonte man allerdings das Sonntagskleid, das man sich nach dem Krieg mühsam zusammengespart hatte und trug für die Putzarbeit des Alltags selbstverständlich eine Kittelschürze. Die relative Leichtigkeit, mit der sich heute ein Haushalt bewältigen lässt, lässt sich nicht vergleichen mit der damaligen Schwerstarbeit. Ihre Recherche nach Motiven im Internet stößt bei Kristina Kanders an, dass sie sich nun auch mit dem Bild der

Frau in der damaligen Zeit auseinandersetzt und mit dem Wandel des Hausfrauendaseins, der sich damals vollzog. Immerhin sollten die in den Reklamen angepriesenen Haushaltsgeräte ja die Hausarbeit revolutionieren.


Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes wurde in den 50er Jahren fast das gesamte Einkommen für die Lebenshaltungskosten aufgewendet. Dass heißt, Geld sparen für Anschaffungen wie Kühlschrank oder Waschmaschine, konnte man eigentlich nur durch die Haushaltung der Frauen. Auch wurden erst nach und nach alle Haushalte ans Elektrizitätsnetz angeschlossen. Jetzt erst waren die Erfindung

und Anschaffung von elektrischen Haushaltshilfen, die der Hausfrau das Leben einfacher machen sollten, sinnvoll. Kühlschrank, Waschmaschine und Staubsauger bedeuteten eine enorme Zeit- und Arbeitsersparnis. Aufgrund der Eigenschaft des Kühlschranks beispielsweise musste die Hausfrau seltener einkaufen gehen, weil die Lebensmittel länger hielten.

Man muss sich gerade heute in Erinnerung rufen, dass 1955 nur 10% aller Haushalte einen Kühlschrank hatten. Auch 1958 waren es lediglich 11% mehr und 1962/3 hatte die Hälfte aller Haushalte das heute alltägliche Kühlgerät. 1


Meine Großmutter wusch in einem riesigen Kessel in der Waschküche und noch meine Mutter kochte 1964 die Windeln auf dem Herd. Tatsächlich hat sie mir im Vorfeld dieser

Ausstellung erzählt, dass sie sich die erste Waschmaschine vom

eigenen Geld gekauft hat und den gesamten ersten Waschgang vor der Maschine verbrachte, so froh war sie über die Anschaffung. Die Realität war bis dahin, dass zum Hausfrauendasein - etwa auf einem Bauernhof - Rahm abschöpfen, Butter stampfen, Brot backen, Marmelade und Wurst kochen und Gemüse einwecken gehörte. Solche Hausfrauen verschwanden und verschwinden in der Tat mehr und mehr, aber die Hausarbeit – so unsichtbar sie ist und bleibt – eben nicht. Getan wird sie laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus diesem April noch immer vorrangig von Frauen, nun halt nicht mehr als Vollzeitjob, sondern

jetzt sozusagen nebenberuflich. Waren die technischen Neuerungen also zu Beginn ein erster Schritt zur Emanzipation, weil Frauen über mehr ihrer Zeit verfügen konnten, bedeuten sie möglicherweise auch, dass man(n) doch mit ihrer Hilfe erwarten kann, dass das bisschen Haushalt jetzt ein Klacks ist und daher neben dem Broterwerb ganz einfach zu bewerkstelligen.


Die Kölner Künstlerin Kristina Kanders trifft, da besteht kein Zweifel, mit ihren Retro-Hausfrauen den Nerv der Zeit – Ältere verbinden damit Kindheitserinnerungen und schmunzeln übr die witzige Zusammenstellung; für junge Leute ist der Vintage-Look in und ebenso cool wie Tütenlampe und Nierenttisch.


Spätestens seit es eine ihrer Hausfrauen auf das Titelblatt des Kulturmagazins vom Kölner Stadt-Anzeiger geschafft hat, ist sie mit der Serie in und um Köln ausgesprochen erfolgreich und erhielt sogar die Möglichkeit, drei Gemälde daraus im Bonner

Frauenmuseum bei der Ausstellung „Work & Women“ zu zeigen.


Studiert hat Kristina Kanders eigentlich Musik und war über viele Jahre eine gefragte Schlagzeugerin in New York, die bildende Kunst hat sie allerdings immer begleitet. Unter anderem hat sie daher auch Kurse an der Parson’s School of Design belegt.

Nach ihre Rückkehr nach Köln im Jahr 2005 hat die Malerei immer größere Bedeutung erlangt und 2012 hat sie die Trommelstöcke endgültig gegen den Pinsel eingetauscht.


Neben der Serie der „Disappearing Housewives“ arbeitet die Kölnerin auch konsequent an der Reihe „Licht im Dunkel – Heldinnen und Helden“, bei der sie eigentlich ihre eigenen Helden darstellt. Es sind auf Licht und Schatten abstrahierte Portraits von Menschen, die sich mit großem Einsatz für Menschenrechte eingesetzt haben, wie etwa Gandhi oder

Martin Luther King.


Als Helden des Alltags bezeichnen wir jene Helfer, die sich mit großem Einsatz für ihr Ehrenamt einsetzen und damit viel Gutes tun... bisschen so wie ... naja, Sie wissen schon.


Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß inmitten der „Disappearing

Housewives“ und im Gespräch mit der Künstlerin. Ich darf mich an dieser Stelle auch noch für die wunderbare musikalische Begleitung bei Bernd Gast bedanken.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Dr. Claudia Gross, Kunsthistorikerin Kaiserslautern


1 Gross-Roath, Claudia: jetzt kommt Licht ins Wirtschaftswunder... S.27-28








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